Die »wunderkammer« im Altonaer Museum
Setzt die Segel – in der wunderkammer können Kinder und Jugendliche auf große Fahrt gehen: Mit Fangeimern ausgestattet, navigieren sie mit Seekarten und Schreibmaschinen durch ein Meer von Dingen. Entlang der Themenbereiche »Mut«, »Erkenntnis«, »Glück« und »Freundschaft« können alle auf eine philosophisch-spielerische Fangreise gehen, auf der sie wundersame, aber auch alltägliche Dinge neu entdecken, diese zu eigenen Ausstellungen arrangieren und dazu ihre eigenen Geschichten erfinden und festhalten können.
Das Konzept der wunderkammer, das von der Gabriele Fink Stiftung gemeinsam mit dem Team des Altonaer Museums erdacht und realisiert wurde, folgt dem didaktischen Ansatz des Kreativen Philosophierens, der von der Erziehungswissenschaftlerin Kristina Calvert seit mehreren Jahren entwickelt und erprobt worden ist. Dieser Ansatz wird bereits in den Bundesländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Berlin an den Instituten für Lehrerbildung verwendet und ist darüber hinaus auch in vielen Museen zur Grundlage der Vermittlungsarbeit geworden.
Der Kern des Kreativen Philosophierens besteht in der Annahme, dass die Welt dem Menschen, ob Kind oder Erwachsener, nicht unvermittelt zur Verfügung steht, sondern sich durch die Perspektiven und Symbole des Mythischen, des Religiösen und des Künstlerischen sowie durch wissenschaftliches Denken und Handeln zeigt. Kreatives Fragen und Vorgehen ist dabei die ideale Methode – vor allem für Kinder. Sie begegnen ihrer Umwelt sehr viel unverstellter als Erwachsene, sie staunen über Unbekanntes, genießen die Verwunderung und ordnen das Neue spielerisch in ihr Verständnis der Welt ein. Die wunderkammer im Altonaer Museum liefert somit einen Impuls zum Forschenden Lernen, sie ist eine Einladung, das Bestehende auf spielerische Weise nachzuvollziehen, es in Frage zu stellen und neue eigene Ordnungen zu schaffen – denn Denken ist lediglich Aufräumen im Kopf.
Die Ausstellung ist inklusiv konzipiert und befindet sich in einem ständigen Wandel: Wir versuchen, auf neue Perspektiven und Ideen einzugehen. Folgende große Themenbereiche bilden die Grundlage des Ausstellungskonzepts:
Kreatives Philosophieren mit Kindern
Das Kreative Philosophieren mit Kindern lässt sich durch das folgende Schaubild kurz zusammenfassen:

Haltung
Im Inneren steht die Haltung, die man beim Philosophieren einnimmt: Das Philosophieren mit Kindern ist ein unabschließbares Deuten von Deutungen zum einen mit dem Ziel, sich zum einen klarer zu werden und zum anderen, um zu wissen, dass dieses Deuten stets nur vorläufig sein kann.
Inhalte
Die zweite Schicht der Grafik zeigt die Inhalte des Philosophierens, es sind die Sinn-Fragen der Kinder, die man auch mit den vier Fragen, in die Kant die Philosophie einteilt, wiedergeben kann.
Erste Frage: Was kann ich wissen? (Erkenntnislehre). Hier wird danach gefragt, wie wir zu Wissen kommen können. Oder auch was Wissen bedeutet? Kinder fragen hier z.B.: Planen Ameisen ihren Tag? Die zweite Frage Kants – Was soll ich tun? – fahndet nach Wegen und Themen des Zusammenlebens in einer demokratischen Gesellschaft. Dieser Bereich wird Ethik genannt. Kinder fragen hier u.a.: Lügen Ameisen eigentlich auch? Die dritte Frage Kants dreht sich um das Metaphysische, das Nichtkörperliche. Hier fragt Kant nach Vorstellungen von Zeit, Gott oder auch Tod. Kinder fragen hier: Gehen Ameisen auch in die Kirche?
Die letzte Frage, in die Kant die Philosophie einteilt, nennt er die Philosophische Anthropologie. Hier geht es um die Identität des Menschen und um Fragen, inwiefern der Mensch böse ist. Kinder fragen sich hier u.a.: Sind Ameisen auch böse?
Methoden
Die äußere Schicht der Grafik zeigt die Denkformen, die durch bestimmte Methoden angeregt werden: Die Methoden, die für die Haltung und die Inhaltegenutzt werden, regen das logisch-argumentative wie das kreative Denken an: Kinder philosophieren im Gespräch, erfinden Glückssuppen und bauen an Begriffsmolekülen ihre Bedeutungen von Glück, Böse, Planen oder Lüge.
Steckbrief Forschendes Lernen

Lernen muss getragen sein vom Verstehen wollen. Lernen funktioniert umso besser, je mehr die/der Lernende erfährt, dass dieses für die eigene Person bedeutsam ist. Lernen ist nicht die Kehrseite von Lehren. Lernen ist manchmal mühevoll und nicht frei von Fehlern und Irrtümern. Dies erfahren die Schüler:innen beim Forschen. Den Horizont der jeweils Lehrenden nicht als Begrenzungslinie für das Denken der Lernenden zu installieren, ist uns ein Bedürfnis. Denn es soll den Schüler:innen möglich werden, eigene Horizonte zu erfahren und zu erkunden.
Was ist Forschendes Lernen?
- Fachübergreifend oder sogar fachunabhängig und selbstreguliert.
- Die Lernenden stellen eigene Fragen aus ihrer Lebenswelt und finden selbst Antworten.
- Dauer: Etwa ein halbes Jahr, meist eine Doppelstunde pro Woche.
- Geeignet für alle Altersstufen und Schulformen.
Merkmale des Forschenden Lernens:
- Die Forschenden wählen bedeutungsvolle Aufgaben aus ihrer Lebenswelt.
- Sie sind aus sich heraus (intrinsisch) motiviert und im Dneken (kognitiv) aktiviert, lernen auf ihrem eigenen Niveau und Tempo.
- Forschendes Lernen erfordert, dass die Schüler:innen ihre eigenen Probleme und Lösungen finden, was abweichendes (divergentes) Denken fördert.
Forschendes Lernen ist eine Lernform, bei der die Forschenden:
- selbstständig eine für sie relevante Fragestellung oder Hypothese entwickeln,
- mithilfe verschiedener Methoden nach Antworten suchen,
- den Forschungsprozess selbst gestalten und reflektieren,
- ihre Ergebnisse aufbereiten und präsentieren.
Lernen wird dabei nicht als bloße Wissensanhäufung verstanden, sondern als ein ergebnisoffener und dynamischer Prozess, bei dem das forschende Individuum im Mittelpunkt steht.
Forschendes Lernen kann überall stattfinden: im Museum oder in der U‑Bahn, auf dem Sportplatz oder in der Kita. Es ist in allen Disziplinen möglich: in den Natur- und Geisteswissenschaften ebenso wie im Bereich Kunst und Kultur. Fächerübergreifendes Denken und Arbeiten sind dabei keine Ausnahmen, sondern eine Selbstverständlichkeit.
Pädagogische Haltung und Rolle der Lehrkräfte:
- Eine konstruktivistische Pädagogik, die die Lernfähigkeiten der Schüler:innen respektiert.
- Lehrkräfte sind in ihrer Haltung Lernbegleiter:innen, nicht Expert:innen.
- Sie unterstützen die Reflexion und Beziehung, bieten aber keine inhaltliche Hilfe.
Ziele des Forschenden Lernens:
- Entwicklung von Selbstkompetenzen wie Anstrengungsbereitschaft, Selbstberuhigung, Motivation, Durchhaltevermögen, Beharrlichkeit, Frustrationstoleranz und Selbstwirksamkeit.
- Erwerb von metakognitiven Kompetenzen wie orientieren, Probleme lösen, Informationen suchen, Wissen ausdrücken, vermuten, Ergebnisse finden, präsentieren, diskutieren und nachdenken.
Unsere Arbeit im Forschenden Lernen zielt bewusst auf die Entwicklung überfachlicher Kompetenzen, nicht auf eine neue Didaktik für Philosophie- oder Naturwissenschaftsunterricht. Wichtig ist, dass Lernen nicht linear und perfekt abläuft, sondern auch Irrwege und Scheitern als Teil des Prozesses akzeptiert werden. Diese Erfahrungen können Ausgangspunkte für neue, erfolgreichere Überlegungen sein. Andernfalls wäre es, als würde man einem Kind sagen: »Du gehst keinen Schritt ins Wasser, bevor du nicht schwimmen kannst.«
Material
- 2000 erschien das Buch »Mit Metaphern philosophieren«. Es reflektiert die Praxis der Autorin mit Kindern zu philosophieren, die weder Sprache noch ein behütetes Zuhause haben. Das Buch entstand in der Zeit im Graduierten Kolleg Ästhetische Bildung, Universität Hamburg: Calvert, Kristina: Mit Metaphern philosophieren. München 2000.
- 2021 schrieben Anna Hausberg und Kristina Calvert, nachdem sie als ReferentInnen in Oxford auf einer Internationalen Tagung zum Thema Kreativität ihren Ansatz vortrugen, diesen Artikel: »Forschen als Kultur guten Lernens — Philosophieren mit Kindern«. Erschienen in: Kinder lernen Zukunft, Grundschulverband e.V.
- Erscheinungsdatum 2025: »Nasowas. Eine Reise durch die Wunderkammer. Dein Begleitheft.« Von Eva Muggenthaler und Kristina Calvert. Hrsg. von der Gabriele Fink Stiftung und dem Altonaer Museum.
Fortbildung
Wer neugierig geworden ist, kann sich auf eine angeleitete Forscherreise durch die wunderkammer begeben. Die wunderkammer ist für den individuellen Besuch von Kindern und ihren Familien geeignet und bietet auch die Möglichkeiten, in der Gruppe aktiv zu werden, ob Kita-Gruppe oder eine ganze Schulklasse – bitte sprechen Sie uns an. Selbstverständlich steht auch das Team des Altonaer Museums für die Beratung zu Angeboten zur Verfügung. Der philosophische Forscher-Workshop beispielsweise ist auch über den Museumsdienst Hamburg buchbar: www.museumsdienst-hamburg.de.
Ansprechpartnerin in der Gabriele Fink Stiftung ist Dr. Kristina Calvert.
Die wunderkammer ist eine Kooperation mit dem Altonaer Museum: